Beide Schriftstellen [Joel 4,12-21; Lk 11,27-28] sind meines Erachtens ein guter Ansporn, um entschlossen für den Schutz des Lebens einzutreten, auch wenn sicher sofort – wie das Amen auf das Gebet – der Einwand kommen wird, das sei schlimmster Fundamentalismus. Stimmt das? Oder ist es nicht eher so, dass manche Argumentations- und Vorgangsweisen im Zusammenhang mit Abtreibung und Beihilfe zum Suizid von falschen Grundlagen ausgehen, d.h. ohne Fundament sind?
Zunächst noch etwas Anderes: Als Christen werden wir – gerade auch aufgrund unseres Christseins – mit jeder Frau, die sich wegen einer unerwarteten Schwangerschaft in Not befindet, Verständnis haben, ja mehr als das. Wir werden ihr helfen so gut wir können, nicht nur finanziell, sondern in jeder Hinsicht; aber wir werden ihr auch sagen: Was du da erwartest, das ist ein Kind. Heute wissen wir, gerade auch von der Wissenschaft her, besser denn je, dass ab dem Augenblick der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle davon auszugehen ist: Da ist ein Kind von einem Vater und einer Mutter, mit bestimmten Eigenschaften, angelegt auf ein Leben mit Zukunft, fähig zu Liebe, ja bestimmt zum ewigen Leben! Daher wird für uns immer gelten, und wir werden es liebevoll der Mutter sagen, auch aus Liebe zu ihr: Du darfst dein Kind nicht töten.
Sehr fragwürdig ist die Argumentation, die in vielen Ländern verbreitet wird, auch bei uns wird es versucht: Die Abtreibung müsse heute für alle zugänglich und möglich sein, um die psychische Gesundheit der Frau zu schützen. Man beruft sich dabei auf „wissenschaftliche“ Studien. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber, dass das nicht erwiesen ist. Wahr ist, dass wohl jede Abtreibung – abgesehen vom Tod des Kindes – tiefe Wunden in den Frauen hinterlässt, die ihr Kind abtreiben lassen. Es sind Wunden, die nicht nur tief sind, sondern oft auch sehr schwer heilen. Persönlich habe ich nicht wenigen Frauen, die abgetrieben haben, versucht beizustehen und ihnen gesagt: Gott hat dir vergeben, und zwar ganz und für immer! Sei nicht traurig! Fasse Mut! Aber es ist für sie oft gar nicht einfach, das anzunehmen. Sie haben auch das Problem, sich selbst zu verzeihen. Wahr ist, dass fast jede Abtreibung –abgesehen vom Tod des Kindes – tiefe Wunden in der Seele der Frau hinterlässt. Wahr ist weiter, dass die Kirche auch jenen Frauen beisteht, die abgetrieben haben, und das ist ein wichtiger Dienst.
Es braucht keine noch stärkere Liberalisierung der Abtreibungspraxis, dringend notwendig dagegen wäre, sich wegen der demographischen Frage und der Überalterung in weiten Teilen der Welt den Kopf zu zerbrechen. Viele Politiker wollen das nicht sehen. In Wirklichkeit ist es ein großes Problem. Wir haben zu wenig Kinder!
Dann noch kurz zum anderen Aspekt des Lebensschutzes: Auch im Zusammenhang mit Kranken und Sterbenden empfinden wir gerade auch als Christen die Notwendigkeit zu helfen: Durch Anteilnahme und Begleitung sowie Ermöglichung bzw. Förderung medizinischer Hilfe. Die Palliativmedizin hat in den letzten Jahrzehnten großartige Fortschritte erzielt, sodass viele Leiden gelindert und erträglicher gemacht werden können. Auch in diesem Zusammenhang werden sehr fragwürdige Argumente verwendet, um den assistierten Suizid oder sogar weitgehende Freigabe der Euthanasie so zu begründen als wären es Hilfestellungen.
Wir werden – gerade als Christen – alles tun, damit Leidende und Sterbende nicht allein sind, ihnen beistehen, auch damit sie in ihrer schwierigen Situation zu sich selbst und zu Gott finden. Das ist ein wichtiges Anliegen jeder Zeit, in unserer Zeit oft ganz besonders, weil viele auf Gott vergessen haben und ihn erst wiederfinden müssen. Immer werden wir die Freiheit jedes Menschen respektieren, allen bewusst machen, dass wir für sie da sind. Wenn nötig werden wir ihnen auch zu verstehen geben, dass Gott allein der Herr über Leben und Tod ist und wir uns niemals dazu hergeben werden, bei einem Suizid mitzuwirken. Etwas Anderes ist, ihre Schmerzen zu mildern und alles zu unternehmen, damit sie nicht unnötig leiden.
Werden wir bald Schwierigkeiten bekommen, weil die staatlichen Gesetze die persönliche Selbstbestimmung zum obersten Dogma erklären und daher ein Recht auf Abtreibung, ein Recht auf Beihilfe zum Suizid und ähnliches mehr gesetzlich festlegen?
Wir werden dagegen ankämpfen, aus Liebe zu den Menschen, auch zur Verteidigung der Gewissensfreiheit der Ärzte, des Krankenpflegepersonals, der Hebammen und der Angehörigen. Diese Gewissensfreiheit ist in der Tat ein fundamentales Menschenrecht so wie die Religionsfreiheit ebenfalls ein fundamentales Menschenrecht ist.
