MMag. Dr. Erik Sidney Kroiher, MA (Lon.), AKC (theol.)
In den vergangenen Monaten sorgte eine sogenannte „Kritische Reflexion der bisherigen Ehrungen der Universität Wien“, die auf eine Initiative der beiden Uni-Wien-Senatsmitglieder und Historiker Oliver Rathkolb und Ilse Reiter-Zatloukal zurückging und von einem Team aus Archivaren, Zeithistorikern und des „Forums Zeitgeschichte der Universität Wien“ zwischen Dezember 2021 und Juni 2023 verfasst wurde, für Aufregung: „Im Auftrag des Senats und des Rektorats der Universität Wien und unter Einbindung aller 20 Fakultäten und Zentren wurden die bisher verliehenen rd. 1.600 Ehrungen der Universität Wien einer kritischen Würdigung unterzogen. „Bei Vorliegen allfälliger diskussionswürdiger oder problematischer Aspekte wurden einzelne Geehrte unter Anführung dieser Gründe der entsprechenden Kategorie zugeordnet und entsprechende biografische Einträge verfasst. (…) Die Dekan*innen und Zentrumleiter*innen sichteten, kommentierten und ergänzten mit den fachspezifischen historischen Expert*innen die Biografien und Listen. Die Bewertungen und biografischen Beiträge wurden bis auf wenige Ausnahmen von den Fakultäten und Zentren für den Endbericht an Rektorat und Senat konsensual freigegeben (…) Als „diskussionswürdig “ wurde bei der kritischen Überprüfung der Ehrungspraxis folgende Definition zugrunde gelegt: (…)
Als diskussionswürdig werden Ehrungen von Personen bezeichnet, die eher formal Ideologien oder Funktionär*innen unterstützt haben, die durch antisemitische, rassistische, faschistische Inhalte hervorgetreten sind bzw. Vorurteile in Richtung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit geäußert haben.“ Es wurden 39 Personen, die insgesamt 56 Ehrungen erhalten haben, als „diskussionswürdig“ eingestuft (durch sieben Doppelehrungen zwei Dreifachehrungen und zwei Vierfachehrungen differiert die Zahl der Geehrten von jener der Ehrungen).“ [1]
Soweit ist auf der Homepage der Universität Wien das Vorhaben, der Rahmen und die Definition des Projektes nachzulesen.
Wiewohl grundsätzlich zu begrüßen ist, dass Werthaltungen, politische Aktivitäten, Äußerungen und Karrieren früherer Ehren- und Würdenträger der Universität durchleuchtet, wissenschaftlich analysiert und evaluiert werden, so muss im konkret vorliegenden Fall jedoch auf eine Reihe systemischer und handwerklicher Fehler hingewiesen werden. Am Beispiel des „Urteils“ über den Sozialphilosophen und Priester Johannes Messner sollte nicht zuletzt um der wissenschaftlichen Redlichkeit willen eine Entgegnung verfasst werden. Darüber hinaus sollte auch stets zwischen wissenschaftlicher Analyse und politischem Tribunal bzw. politischer Polemik unterschieden werden, was im vorliegenden Fall kaum geschehen ist.
Einerseits wurden in erratischer und geistesgeschichtlich inkohärenter Art und Weise die Zeiträume im Österreich des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, der Ersten Republik, des Ständestaates und der nationalsozialistischen Herrschaft in Österreich offenbar einem einzigen Evaluierungssystem unterzogen und andererseits fast ausschließlich Persönlichkeiten – inklusive Kleriker – aus dem christlichen und aus dem Umfeld des Dritten Lagers bzw. der Nationalsozialisten betrachtet, während Vertreter aus der Sozialdemokratie, Kommunisten und Austromarxisten im wahrsten Sinne des Wortes „links liegen gelassen“ wurden[2].
Allein jedoch die Tatsache, dass sich christlichsoziale Politiker wie etwa Bundeskanzler Dr. Ignaz Seipel und Kardinal Dr. Theodor Innitzer im selben Bewertungsschema mit den Nationalsozialisten wiederfinden, ist nicht nur moralisch inakzeptabel, sondern auch wissenschaftlich-systemischer Unfug. Auch fehlen jegliche Definitionen, nach welchen die Parameter zu den vorliegenden historischen Evaluierungen getroffen wurden; so liegt der Verdacht äußerst nahe, dass beispielsweise das bisweilen wissenschaftlich unklare Begriffsfeld „faschistische Inhalte“ in dieser Analyse keiner Definitionsgrundlage unterliegen, und dass auf die vielen zeitlichen und ideengeschichtlichen Wandlungen des Antisemitismus-Begriffes und -verständnisses in den jeweiligen historischen Kontexten überhaupt nicht eingegangen wird – ein schwerer Fehler in der hier zur Anwendung gelangten wissenschaftlichen Praxis[3]. Worin sich die Behauptung gründet, Messner sei ein „überzeugter Antisemit“ gewesen, also hier in einer aktiven antisemitischen Rolle in Erscheinung getreten bzw. als Einpeitscher oder besonderer Proponent (katholisch motivierten) Antisemitismus‘ tätig gewesen, offenbart sich in der „Kritischen Reflexion“ in keiner Weise; es handelt sich hier wohl um ein >Totschlagargument< zum Zwecke politischer Agitation.
Dem Verweis, dass der in dieser „List of Shame“ als „diskussionswürdig“ angeführte Theologe, Priester und Sozialethiker Johannes Messner sich nicht zuletzt deswegen hierin findet, weil er ein Werk über den im Juli 1934 von Nationalsozialisten ermordeten Bundeskanzler Dollfuss verfasste[4], ist wohl politisch-polemisch, aber nicht wissenschaftlich nachvollziehbar. In diesem Buch hätte Messner sich einer Semantik bedient „die sich nicht allzu sehr vom Führerkult in NS-Deutschland unterschied.“[5] Die Verfasser verfügen offenbar über keinerlei Wissen um historische Vergleiche mit zeitgenössischer Semantik anderer Länder. Die hier erwähnten semantischen Parallelen finden sich nicht nur in vergleichbaren Schriften in Nazideutschland, nicht nur in einem anderen totalitären System wie in der Sowjetunion Josef Stalins und in autoritären Staaten wie etwa Ungarn, Polen, im Baltikum oder Spanien, sondern auch – freilich in abgewandelter Form – in (jugend)bündischen und politischen Bewegungen demokratischer Staaten wie beispielsweise Frankreich, Großbritannien oder Belgien. Zahllosen solcher Bewegungen und politischen Schriften wohnte ein Hang zum Führerkult sowie eine bisweilen messianisch anklingende Tonalität inne.[6] Mit Sicherheit gab es viele Unterschiede, graduelle Abstufungen und verschiedene nationale, konfessionelle und inhaltliche Varianten; und dennoch hätten diese Umstände beachtet werden müssen. Diese Feststellung will im Gegensatz zur „Kritischen Reflexion“ nicht werten und politisch agitieren, sondern lediglich auf den Umstand zeitgenössischer sprachlicher Semantiken im Vergleich hinweisen. Im Übrigen müssen die an Messners Dollfuß-Werk kritisierten hagiographischen Aspekte viel mehr mit der generellen Politik des Ständestaates in Verbindung gebracht werden. Diese zielte auf eine ideologische Rechtfertigung ab, dass Österreich gegenüber dem Deutschen Reich und dessen Einverleibungsversuchen als eigenständiger Staat und selbständige Kultur und quasi als Gegenentwurf zum >neoheidnischen Nazistaat< bestehen bleiben müsse – also vielmehr das Gegenteil von dem, was die selbsternannten „Faschismus-Jäger“ zu wittern dachten, wieder eine wissenschaftliche Fehlleistung.[7]
Auch der von den Kollegen verwendete politisch-ideologische Begriff des „Austrofaschismus“ ist wissenschaftlich nicht haltbar, da die Kanzlerdiktatur des autoritären Ständestaates in vielem den Charakteristika eines faschistischen Systems nicht gerecht wird. Zu unterschiedlich, zu vielgestaltig und zu widersprüchlich und teilweise einander konkurrenzierend waren die einzelnen Lager, Gruppen und Vertreter im autoritären Österreich der Jahre 1933 bis 1938, als dass man von einem faschistischen System sprechen könnte.[8] Die Einheitspartei des Ständestaates, die Vaterländische Front, blieb in ihrer Praxis eine, wie Bracher analysiert, „bürokratische Organisationshülse“[9]; die Freiwilligkeit und Unverbindlichkeit vieler ihrer Teilbereiche und Vereinigungen, das Weiterbestehen von Gewerkschaften, Vereinen und bündischen Strukturen, studentischen Korporationen etc. steht in deutlichem Gegensatz zu alldem, was das Wesen eines faschistischen Systems definieren würde.[10] Zwar ist zu konzedieren, dass beispielsweise den christlichen Heimwehren und Frontkämpferverbänden mitunter deutlich faschistische Züge innewohnten, jedoch weist der Umstand, dass diese schrittweise ab 1935 und definitiv ab 1936 unter der Ägide des Bundeskanzlers Kurt von Schuschnigg entmachtet und in den Hintergrund gedrängt bzw. letztlich überhaupt aufgelöst wurden[11], darauf hin, dass von einer faschistischen Staatsstruktur nicht die Rede sein konnte. Die Proponenten faschistischer Ansätze und Ideen, die Österreich nach dem Vorbild von Mussolinis Italien ausrichten wollten bzw. von Othmar Spanns korporatistischen Gesellschaftsentwürfen geleitet wurden, wie etwa Heimwehrführer und Vizekanzler Fürst Starhemberg oder Innenminister Odo von Neustädter-Stürmer wurden, sobald es Schuschnigg politisch möglich war, von diesem abserviert und durch Vertreter des christlichsozialen Flügels ersetzt. Die Verfasser der gegenständlichen Studie bzw. Recherche verwechselten offensichtlich den Autoritarismus der Kanzlerdiktatur mit Faschismus – ein schwerer Analysefehler. Auch fehlte den engagiert-bemühten Verfassern der Uni-Studie wieder einmal der Vergleich mit den zeitgenössischen Entwicklungen in anderen Staaten und Gesellschaften in Europa.
Sohin wird klar ersichtlich, dass die Kategorisierung der „Kritischen Reflexion“, die die Proponenten und Funktionsträger des Ständestaates per se als politisch-moralisch bedenklich einstuft, sie mit Vertretern des Naziregimes gleichsetzt und mit dem unwissenschaftlichen Begriff „Austrofaschisten“ bezeichnet, als politisch motivierte Polemik einzustufen und daher zurückzuweisen ist.
Im Fall Johannes Messners ist diese Vorgangsweise besonders haltlos und zeigt, dass sich die wackeren Verfasser offenbar überhaupt nicht im Detail mit der Person und dem Wirken dieses herausragenden Sozialphilosophen, Priesters, Pastoraltheologen und Rechtsethikers Messner befasst haben, als sie ihr „Urteil“ über ihn fällten: „Die Ehrung (Dr. theol. h.c 1956/57, Anm.) wird 2022/23 aufgrund von Johannes Messners Involvierung in den Austrofaschismus als „diskussionswürdig“ eingestuft. Im autoritären Ständestaat fungierte Johannes Messner als „Vordenker und Ratgeber der politischen Elite“. Nach der Ermordung des austrofaschistischen Bundeskanzlers verfasste er diesem zu Ehren das Buch „Dollfuß“ (1934), dessen Semantik sich nicht allzu sehr vom Führerkult in NS-Deutschland unterschied und das auch als positive Würdigung des Ständestaates zu verstehen ist. Messer stand aber auch in engem Kontakt zu Dollfußʼ Nachfolger Kurt Schuschnigg, auf dessen Wunsch er die „Monatsschrift für Kultur und Politik“ betreute. Nichtsdestotrotz fanden sich bei Messner auch Anknüpfungspunkte zum Nationalsozialismus: Er konnte der NS-Wirtschaftsordnung einiges abgewinnen und war überzeugter Antisemit.“[12]
Johannes Messners Tätigkeit im Rahmen des Ständestaates tritt nämlich in erster Linie in jener Phase auf, in der ab 1936 und dann besonders 1937 der Versuch gestartet wurde, die ohnehin niemals zur Gänze in Kraft getretene Verfassung vom 1. Mai 1934 zu revidieren und in einer Art und Weise umzubauen, dass die korporatistischen und die aus dem italienischen Faschismus Anleihe nehmenden Aspekte entfernt werden sollten[13]. Messners Vorschläge für eine Verfassungsreform waren also das Gegenteil dessen, was als faschistisch bezeichnet hätte werden können. Gemeinsam mit maßgeblichen Vertretern des christlichsozialen und äußerst heimwehrkritischen Lagers im Regierungsumfeld wie etwa Otto Ender, Friedrich Funder, unterstützt von Kanzler Schuschnigg, und führenden Rechtswissenschaftlern wie Ludwig Adamovich und Gustav Walker, trat Messner als maßgebliche Kraft für die Verfassungsreform auf, die jene Anleihen aus dem Universalismus Othmar Spanns und die besonders demokratiefernen und die gesetzgebenden Kammern lähmenden Charakteristika entfernen bzw. entschärfen wollten.[14] Wohnout bezeichnet Messner zu Recht als „Schlüsselfigur der Reformbestrebungen“[15]. An der Entstehung der 1934er-Verfassung hatte Johannes Messner hingegen kaum Anteil, definitiv nicht in einer direkten Art und Weise. In der von ihm ab 1936 geleiteten „Monatsschrift für Kultur und Politik“ übte Messner darüber hinaus auch Kritik am Universalismus Spanns und gestaltete die Zeitschrift unter anderem zu einem Organ der Reformbestrebungen hin zu stärkerer Partizipation und zu größerem Einfluss der gesetzgebenden Kammern. Die politischen Gremien und gesellschaftlichen Strukturen sollten zu einer Verbreiterung der politischen Entscheidungsprozesse und zu mehr Pluralismus führen[16]; also diametral im Gegensatz zu einer faschistischen Ordnung stehend. Messner verbat sich im Übrigen auch ausdrücklich jede Einflussnahme der Regierung in Inhalte und Gestaltung seiner „Monatsschrift“.[17] In seinem ebenfalls 1936 erschienenen Werk „Die berufsständische Ordnung“ relativierte Messner unter anderem die Seipel’sche Interpretation der päpstlichen Enzyklika „Quadragesimo anno“ besonders im Hinblick auf die damit verbundene Kritik an der parlamentarischen Demokratie.[18] Auch wäre es zielführend gewesen, wenn die Autoren der „Kritischen Reflexion“ einen Beweis erbracht hätten, wie und inwiefern Messner „der NS-Wirtschaftsordnung einiges abgewinnen konnte“ – doch auch dies bleiben sie schuldig und es bleibt bei einer unfundierten Unterstellung. Vielleicht wurden hier korporatistische Wirtschaftsansätze, die es wohl auch in dieser sogenannten „NS-Wirtschaftsordnung“ (die im Übrigen zahlreiche Anleihen aus der marxistischen Wirtschaftstheorie nahm) gegeben hat, mit korporatistischen Wirtschaftsideen im Ständestaat einfach nur verwechselt.
Als Österreich im März 1938, nachdem es sich fünf Jahre gegen den „Staatsterror“ des Dritten Reiches gewehrt hatte, unter dem enormen deutschen Druck letztlich aufgab, zusammenbrach und von deutschen Truppen besetzt wurde[19] – freilich unter intensiver Mitwirkung österreichischer Nationalsozialisten und unterwanderter Strukturen im eigenen Land – flüchtete der von den Nazis verfolgte Johannes Messner vor der Inhaftierung nach Großbritannien, wo er bis zum Ende des Dritten Reiches und des Weltkriegs in England zusätzlich zu seiner wissenschaftlichen Tätigkeit gestrandete Jugendliche und junge Erwachsene seelsorglich betreute.
Johannes Messner konnte dem Nationalsozialismus ganz offenkundig in keiner Facette irgendetwas abgewinnen – und genauso verhielt es sich umgekehrt: Messner zählte von Anfang an zu den Verfemten und Verfolgten des Regimes. In einem politischen Gestapo-Bericht vom 15. Juni 1940 heißt es:
„Obgenannter ist auf Grund der Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums unter Aberkennung des Ruhegenusses entlassen worden. – Er war ein klerikaler Feind der Bewegung und stand im lebhaftesten Verkehr mit Innitzer und Waitz. Als Universitätsprofessor lehrte er auch u.a. christliche Sozialwissenschaft an der theologischen Fakultät. M e s s n e r ist politisch untragbar.“[20] Bereits im September 1938 war Messner mit sofortiger Wirkung aus seinem Dienstverhältnis an der Theologischen Fakultät der Universität Wien auf Betreiben der NS-Gauleitung Wien entlassen worden.[21] Der Ruhegenuss wurde ihm mit Wirksamkeit vom 21. März 1938 aberkannt.[22] In der Begründung bzw. in Messners Gestapo-Akt heißt es als Begründung, er war Mitglied der vaterländischen Front und „hat nur christlichen und legitimistischen Vereinen angehört. … Hat in der illegalen Zeit nur mit Schwarzen verkehrt unter anderem mit Innitzer und Bischof Waitz. Genannter ist politisch gänzlich unverlässlich. (…) Gegen seine weitere Verwendung bestehen in politischer Hinsicht zweifellos schwere Bedenken.“[23] An weiterer Stelle in Messners Gestapo-Akt wird auf dessen Arbeit als Wissenschaftler und unmissverständlich auf die politische Deutung seines Wirkens eingegangen. Hier wird festgehalten, dass Messner die Kritik Oswald von Nell-Breunings und Gustav Gundlachs an der berufsständischen Ordnung und an den Anleihen, die der (italienische) Faschismus daraus nahm, übernommen und vertreten hatte. Selbst der politische Gegner konzedierte Messner sohin eine Ablehnung faschistischer Tendenzen in der Sozialethik. Die Argumentation, Messner wäre an irgendeinem Versuch, eine faschistoide oder gar faschistische Gesellschaftsordnung in Österreich aufzubauen, beteiligt gewesen, ist also aus jeder Perspektive heraus völlig haltlos, wie auch schon Wohnout belegt hat.[24] Im Gestapo-Akt heißt es in der politischen Begründung für das Vorgehen der Nazis gegen Messner,
„(…) Er vertrat die Richtung des Jesuitensoziologen Noll-Breuning (sic!) und Grundlach (sic!), deren Hauptvertreter in Österreich der Erzbischof von Salzburg und frühere Professor Waitz war. Diese Richtung wird als eine liberal-kapitalistische bezeichnet. Durch seine Beziehungen zu Waitz kam Messner mit Schuschnigg in Verbindung und wurde auf sozialpilitischem (sic!) Gebiete sein Berater und brachte es als solcher soweit, dass der geplante berufständische Aufbau in einen liberal-kapitalistischen umgebogen wurde. Er war einer der einflussreichsten Männer der Systemzeit, ein Gegner des Nationalsozialismus und einer der eifrigsten Vorkämpfer für die Selbständigkeit Österreichs.“[25]
Nach Österreich kehrte er erst wieder nach Kriegsende zurück. Der Grund, warum Messner nicht sofort nach Österreich zog, lag im Übrigen in keiner Weise darin begründet, dass man ihn aus politischen Gründen nicht (mehr) schätzte, sondern ausschließlich daran, dass Messner an seinem Standardwerk über das Naturrecht arbeitete und dieses im Rahmen seiner wissenschaftlichen Tätigkeit in Großbritannien fertigstellen wollte, wie auch aus seinem Personalakt im Bundesministerium für Wissenschaft unmissverständlich hervorgeht.[26] Messner also eine Unterstützung von oder gar Mittäterschaft an faschistischen oder nationalsozialistischen Umtrieben oder ähnliches während des Naziregimes vorzuwerfen, ist sohin völlig abwegig und wissenschaftlich in keiner Weise haltbar, vielmehr muss das genaue Gegenteil als erwiesen angesehen werden. Es wäre daher zu wünschen und anzuregen, dass „Kritische Reflexionen“, wie sie hier von der Universität Wien durchgeführt wurden, sich mehr an wissenschaftlicher Seriosität und Professionalität denn an politischer Polemik und von links kommenden Pauschalierungen orientieren sollten, die Alma Mater erweist sich damit mit Sicherheit keinen Gefallen. Wissenschaft sine ira et studio sollte das Gebot wissenschaftlichen Arbeitens sein.
[1] https://geschichte.univie.ac.at/de/themen/kritische-reflexion-der-bisherigen-ehrungen;
S.1, abgerufen am 28.12.2023
[2] ibid; S. 1-2
[3] Im oben stehenden Zusammenhang sei zur Geschichte und Entwicklung des Antisemitismus in Österreich sowie zum generellen Phänomen des Antisemitismus auf die umfangreiche Literatur verwiesen, z.B. i.a. Herbert A. STRAUSS und Norbert KAMPE (Hrsg.): Antisemitismus – von der Judenfeindschaft zum Holocaust. (=Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung Bd. 213, Bonn (1985), ferner Golo MANN: Der Antisemitismus. Wurzeln, Wirkung und Überwindung. (= Vom Gestern zum Morgen Bd. 3), München/Frankfurt (1961), John BUNZL und Bernd MARIN: Antisemitismus in Österreich. Sozialhistorische und soziologische Studien. (= Vergleichende Gesellschaftsgeschichte und politische Ideengeschichte der Neuzeit, Bd. 3), hrsg. v. Anton Pelinka u. Helmut Reinalter, Innsbruck (1983), Erik KROIHER: Bruchlinien und Kontinuitäten österreichischer Zivilgesellschaft: katholisches jugendbündisches Leben der Zwischenkriegszeit in seiner geistesgeschichtlichen Wirkung am Beispiel Felix Hurdes‘, Diss. an der. Geisteswiss. Fakultät d. Univ. Wien, ebda., (2016); SS. 114-137
[4] vgl. Johannes MESSNER: Dollfuß., Wien/Innsbruck/München (1935)
[5] https://geschichte.univie.ac.at/de/themen/kritische-reflexion-der-bisherigen-ehrungen;
S.1, abgerufen am 28.12.2023
[6] vgl.Matthias von HELFELD: Bündische Jugend und Hitlerjugend. Zur Geschichte von Anpassung und Widerstand 1930-1939. (=Edition Archiv der deutschen Jugendbewegung Bd. 3), Köln (1987); SS. 35-42, David FOWLER:Youth Culture in Modern Britain, c.1920–c.1970: From Ivory Tower to Global Movement – a New History., London (2008); Andrew Neil PORTER: European Imperialism, 1860–1914., London (1994); ders. (Hrsg.): The nineteenth century., in: The Oxford history of the British Empire. Vol. III, Oxford University Press, Oxford (1999)
[7] vgl. Erik Kroiher: Bruchlinien österreichischer Zivilgesellschaft.; SS. 230-246; Gottfried-Karl KINDERMANN: Dollfuß und der Nationalsozialismus., in: Christliche Demokratie. Zeitschrift des Karl von Vogelsang-Instituts, Nr 1/93, hrsg. v. Helmut Wohnout, Wien (1993); S. 65, Günther BURKERT-DOTTOLO: Juli 1934. Österreichs Widerstand gegen den Nationalsozialismus., Vorwort des Herausgebers, (=Schriften der Politischen Akademie d. ÖVP), Wien (2004); S. 3, Irmgard BÄRNTHALER: Die Vaterländische Front. Geschichte und Organisation., Wien/Frankfurt/Zürich (1971); SS. 24-32
[8] vgl. Karl Dietrich BRACHER: Eine düstere Erfahrung. Der Zug zur Diktatur im Europa der Dreißigerjahre., in: Demokratie und Geschichte. Jahrbuch des Karl von Vogelsang-Instituts., Jg. 1/1997; SS. 110-120, u. Helmut WOHNOUT: Anatomie einer Kanzlerdiktatur., in: Soziokultureller Wandel im Verfassungsstaat. Phänomene politischer Transformation., hrsg. v. Hedwig Kopetz, Joseph Marko u. Klaus Poier, Gesamtredaktion Isabella M. Poier, (= Studien zu Politik und Verwaltung Bd. 90), Wien/Köln/Graz (2004), ders: Zwischen Ständestaat und Austrofaschismus. Anmerkungen zur österreichischen Kanzlerdiktatur 1933/34-1938., in: Unrecht im Sinne des Rechtsstaates. Die Steiermark im Austrofaschismus., hrsg. v. Werner Anzenberger u. Heimo Halbrainer, Graz (2014)
[9] vgl. Karl Dietrich Bracher: Eine düstere Erfahrung.; S. 114
[10] vgl. Erik Kroiher: Bruchlinien und Kontinuitäten österreichischer Zivilgesellschaft.; SS. 243-255 und die a.d.St. behandelten umfangreichen Literaturhinweise
[11] vgl. Helmut WOHNOUT: Eine berufsständische Ordnung mit demokratischem Einschlag? Diskussionen über eine Verfassungsreform im autoritären Österreich 1936-1938., in: Österreich – was sonst? Ernst Bruckmüller zum 70. Geburtstag., hrsg. v. Hannes Stekl, Christine Gruber, Hans Peter Hye u. Peter Urbanitsch, Wien (2015); SS. 210-214
[12] vgl. Anm. 1
[13] vgl. Helmut Wohnout: Eine berufsständische Ordnung.; SS. 213-227
[14] ibid; SS. 213- 217
[15] ibid; S. 213
[16] vgl. Johannes MESSNER: Geleitwort, Monatsschrift für Kultur und Politik., o.S., Ausg. Jänner, Wien (1936), zit. in: Helmut Wohnout: Eine berufsständische Ordnung.; SS. 215-216
[17] ibid; S. 215
[18] vgl. Johannes MESSNER: Die berufsständische Ordnung., Innsbruck/Wien/München (1936); S. 15-16
[19] vgl. zahlreiche wiss. Werke u. Analysen zu dieser Themenstellung, so z.B. Gottfried-Karl Kindermann: Österreich gegen Hitler. Europas erste Abwehrfront 1933-1938., München (2003)
[20] ÖStA, AdR, BMI/Gauakten, Ord.Z. 2.558 (Johannes Messner)
[21] vgl. ibid; 2.558
[22] vgl. ibid; 2.558
[23] ibid; 2.558
[24] vgl. Helmut Wohnout: Eine berufsständische Ordnung.; SS. 213-227
[25] vgl. ÖStA, AdR , BMI/Gauakten, 2.558
[26] vgl. ÖStA, AdR, Bestand des BMU, Personalakt Johannes Messner
