Predigt von Bischof Küng zum  40. Todestag von Johannes Messner am 15.2.2024 im Wiener Stephansdom

Liebe Brüder und Schwestern!

         Die Texte der Tagesmesse sind eigentlich recht gut zur Charakterisierung von Johannes Messner geeignet. Das Tagesgebet könnte man fast als eine Art Leitbild für sein Leben ansehen. Es enthält die Bitte an Gott, unserem Beten und Arbeiten mit seiner Gnade zuvorzukommen und es zu begleiten, „damit alles, was wir beginnen, bei dir seinen Anfang nehme und durch dich vollendet werde.“ Von Jugend an bis ins hohe Alter war es für Johannes Messner eine Selbstverständlichkeit, jedem Tag die Feier der hl. Messe voranzustellen und das Gebet als Quelle zu betrachten. In der Kapelle holte er sich Kraft; täglich verrichtete er den hl. Rosenkranz. Man kann ohne Übertreibung sagen: Gott war Anfang und Ende, die Mitte seines Wirkens als Wissenschaftler und Priester.

         Auch die Lesung der heutigen Messe aus dem Buch Deuteronomium passt recht gut zu Johannes Messner: In dieser Lesung ist von den Geboten Gottes die Rede. Sie werden als Weg zum Leben dargestellt. Wer sie nicht beachtet, wird zugrunde gehen. „Ihr werdet ausgetilgt werden“, heißt es im Klartext. Diese Gebote, deren Einhaltung über Glück oder Unglück entscheidet, gelten offenbar unabhängig davon, ob der Mensch an Gott glaubt oder nicht. Und gerade diese Art der Wirksamkeit der Gebote Gottes führt uns zu den Gedankengängen von Johannes Messner. Seiner Auffassung nach gilt das Gleiche von jenen Rechten, die zur Natur des Menschen gehören, die von ihr gefordert, Bestandteil des „Naturrechts“ sind.

         Die Forschungsarbeit Johannes Messners bezüglich Naturrecht ist weiterhin die umfangreichste in dieser Materie und sie hat auch weiterhin eine große Bedeutung.

         Bedingt durch das Nachlassen der Glaubenspraxis auch in Ländern uralter christlicher Tradition erkennen wir heute in schmerzhafter Weise oftmals nicht den bestehenden Zusammenhang zwischen der Beachtung der Gebote Gottes und der Respektierung jener Rechte, die zum Naturrecht gehören. Wo auf Gott vergessen wird und als Folge davon die Mehrheit der Bevölkerung die Gebote Gottes nicht mehr beachtet, kommt es zum Verlust des Verständnisses für das, was die Kirche als Naturrecht bezeichnet. Man kann nicht mehr verstehen, was die Kirche mit diesem Ausdruck „Naturrecht“ sagen will. Wenn der Glaube an Gott fehlt, versteht der Mensch nicht und vor allem akzeptiert er nicht, dass es ihn bindende Gesetze gibt, die immer gelten, unabhängig davon, wie er selbst denkt. Man meint, in allem selbst bestimmen zu können, wie man das eigene Leben gestaltet, einschließlich, wie und wann man es beendet. In vielen Ländern zeigt sich deshalb in den letzten Jahren verstärkt in den Gesetzgebungen, dass der Wertekonsens schwindet. Gerade an den Grundwerten wird dies deutlich, z.B. am Lebensschutz, insbesondere bezüglich Beginn und Ende des Lebens. Besonders umkämpft ist die Familie. Johannes Messner hat es meisterhaft verstanden, die Gründe darzulegen, warum es für die positive Entfaltung einer Gesellschaft von größter Bedeutung ist, gezielt die Familie auf der Grundlage der Ehe zwischen Mann und Frau, ausgerichtet auf Kinder, zu fördern und mit entsprechenden Rechten zu schützen. Dazu gehören das Recht, eine Familie zu begründen, das Recht, Kinder zu haben, das Erziehungsrecht, auch das Recht auf wirtschaftliche Voraussetzungen für die Wahrnehmung der familiären Aufgaben.

         Trotzdem wollte man in den vergangenen Jahrzehnten vielerorts vom „Naturrecht“ nichts mehr hören, worüber insbesondere Papst Benedikt XVI. bei zahlreichen Gelegenheiten geklagt hat. Er hat den Begriff „Humanökologie“ in Umlauf gebracht, was auch von Papst Franziskus gerne aufgegriffen wird. Und vor gar nicht langer Zeit hat die internationale Theologenkommission der Glaubenskongregation erklärt, wie wichtig es sei, auf der Suche nach einer universellen Ethik neuerlich den Blick auf das Naturgesetz zu richten.

         Aber ist es heutzutage nicht gerade zu gefährlich, gewisse Fragen wie z.B. die Familie auf der Grundlage der Ehe zwischen Mann und Frau oder Lebensschutz anzusprechen? Da finden wir einen guten Hinweis im Tagesevangelium: Jesus spricht von seinem Leiden und Sterben und davon, dass er auferstehen wird, und danach fordert er zur Nachfolge auf. Johannes Messner hat in seinen Exilsjahren das kleine Buch mit dem Titel „Die Kelter Gottes“ geschrieben, auch „Das Wagnis des Christen“ genannt. Dieses Buch hat er als etwas ihm besonders Kostbares betrachtet. Alle sind wir angesprochen. Wäre Johannes Messner unter uns, würde er uns auffordern, mutig zu sein und für alles, was zum Naturgesetz gehört, sei es gelegen oder ungelegen, einzutreten.

         Wahrscheinlich würde er uns auch noch in einer anderen Weise Mut zusprechen. Er hat bei der Darlegung des Naturrechtes immer die Vernunft in den Vordergrund gestellt. Es ist total vernünftig, das Naturrecht zu beachten und einzufordern, weil es von Gott kommt und in der Natur des Menschen selbst begründet ist. Johannes Messner hat schon auch darauf hingewiesen, dass durch die Offenbarung unsere Kenntnis dieses Naturrechts abgesichert worden ist, aber gerade weil das Naturrecht der Vernunft entspricht, wird es immer Chancen geben, dass Menschen, die vielleicht lange Zeit weit ab von den Gottes Geboten leben, auf einmal wahrnehmen, dass diese Gebote wahr sind und innerer Friede und große Freude entstehen, sobald das Leben entsprechend geändert wird. Gerade deshalb haben wir alle Grund zu Zuversicht, auch in verworrenen Zeiten.

         Es lohnt sich, sich mit Johannes Messner zu befassen, und es ist ein gutes, wichtiges Anliegen, seine Gedanken und sein Werk in Erinnerung zu rufen und den Menschen von heute und morgen nahezubringen.

         Noch etwas: In einem Geleitwort zu einer Johannes Messner gewidmeten Schrift hat Kardinal König u.a. geschrieben, besondere Merkmale von Johannes Messner seien immer Freundlichkeit und Bescheidenheit gewesen, sein ganzes Leben lang, auch als er bereits vielfach geehrt und von vielen verehrt war. Es ist ein wertvoller Hinweis, den wir mit auf den Weg nehmen sollten, wenn wir für die Wahrheit eintreten und bei jenen, deren Glaube verblasst ist, ein Umdenken erreichen möchten. Außerdem wird von vielen bezeugt, dass Johannes Messner gut zuhören und auch bei Widerspruch Ruhe bewahren konnte. Auch das hat seine Bedeutung.

         Bitten wir die Gottesmutter Maria um Fürsprache, damit wir mit einer großen Liebe zu Christus und mit einem weiten Herzen unsere Aufgabe wahrnehmen.

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