von Lorant Racz
Den standhaften Vertreter der Wiener Schule des Naturrechts, Johannes Messner, in der Kürze eines Beitrages zu charakterisieren ist nicht nur unmöglich, sondern wäre seiner auch unwürdig.
Daher wird der Versuch unternommen, Johannes Messner durch jene Geistesströmungen, Persönlichkeiten bzw. durch die zu seinen Lebzeiten herrschende Gesellschaftspolitik zu skizzieren.
Noch unter dem Eindruck der kürzlich besuchten Aufführung des Dramas „Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus tauchen Erinnerungen und Gesichter auf: Dezember 1956 – heimatlos, obdachlos, keinen Groschen in der Tasche wird der Verfasser dieser Zeilen von hilfsbereiten, liebevollen Studenten in ein neu errichtetes Studentenheim der Caritas gelotst und dem anwesenden Direktor der Caritas, Dr. Leopold Ungar vorgestellt. Die hilfsbereite Freundlichkeit, gepaart mit einer intellektuellen Ausstrahlung dieses Priesters war beeindruckend. Wie sich später herausstellen sollte, war es genau dieser Priester, der 1991 anlässlich des 100. Geburtstages von Johannes Messner eine nach diesem benannte Gesellschaft, die „Johannes Messner Gesellschaft“ gründete.
Johannes Messner war bereits während seiner Studienzeit mit mehreren geistigen und politischen Umbrüchen konfrontiert gewesen: Die Naturwissenschaften entflohen aus der Philosophie und diese wurde auf eine ihrer Disziplinen, nämlich die Metaphysik reduziert. An den deutschsprachigen und auf den von diesen beeinflussten Universitäten der Habsburgermonarchie wurde seit 1849 das Naturrecht schrittweise vom Lehrplan genommen und (bis heute) in Frage gestellt. Auch der Geist des Kommunismus ging in Europa um, auch eine neue Klasse entstand, das moderne Proletariat.
Der Positivismus (Comte, Kelsen, Sombart, Schule des logischen Empirismus, Wiener Kreis etc.) und auch der Erste Weltkrieg mit seinen Auswirkungen beherrschten das wissenschaftliche Denken. Die Katholische Kirche, horribile dictu, und so auch der Priester Johannes Messner mussten zudem die Enzyklika „Quadragesimo anno“ verdauen.
In dieser Atmosphäre geistiger Auseinandersetzungen vertrat Messner glaub- und standhaft seine aus der augustinisch- thomistischen Naturrechtsphilosophie schöpfende, jedoch mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen der Gesellschaftslehre jener Zeit vervollständigte Naturrechtslehre.
Messner gelang mittels seiner auf der sittlichen Ordnung beruhenden Ethik der intellektuelle Spagat, mit dem er die Kluft zwischen dem eher der Theologie zugeordneten Naturrecht und der sich mit sozialen Fragen auseinandersetzenden Soziologie und Ökonomie überbrückte. Er rettete somit die Naturrechtslehre für die folgenden Generationen.
Meine Bekanntschaft mit Leopold Ungar, der in der Wiener Seegasse in einer bescheidenen Wohnung lebte und in der auch Johannes Messner zu Hause war, entwickelte sich zum unvergesslichen geistigen Gedankenaustausch. Hier hörte ich den Namen Karl Kraus das erste Mal, da dieser des Hausherrn Lieblingsautor war. Leopold Ungar besaß nahezu alle Ausgaben der „Fackel“ und zudem die Erstausgabe von „Die letzten Tage der Menschheit“. Hier traf ich auf Persönlichkeiten wie Friedrich Heer oder Elias Canetti und hörte von Geschehnissen über die ich hier berichten darf.
Eines Abends wurde ich einem im Priestertalar gekleideten auf den ersten Blick sympathischen älteren Herrn vorgestellt. Es war Professor Messner. Seine bescheidene, gleichzeitig aber auch Respekt einflößende Art bleibt mir unvergesslich. Aus den mit ihm und seinem engsten Freund Leopold Ungar geführten Gesprächen erfuhr ich vieles über dessen Leben in der Gegenwart und Vergangenheit. Nach seiner Habilitation an der Juridischen Fakultät der Wiener Universität hielt Messner Vorlesungen über Ethik. An diesen nahm gelegentlich auch ein 16-jähriger Schüler namens Leopold Ungar, Sohn eines wohlhabenden jüdischen Kaufmanns aus Wiener Neustadt, teil. Später, als Jusstudent, besuchte Ungar ebenfalls die Ethikvorlesungen Messners. Nach der Promotion zum Dr. jur. konvertierte Dr. Ungar zum katholischen Glauben und trat ins Wiener Priesterseminar ein. 1938 floh er wegen seiner jüdischen Herkunft zuerst nach Paris, wo er zum Priester geweiht wurde. 1940 floh er weiter nach Großbritannien. Johannes Messner musste wegen seines gesellschaftspolitischen Engagements ebenfalls das Land verlassen. Er nannte 1935 in seinem Buch über Dollfuß Hitler einen Verbrecher und strebte politisch nach dem demokratischen Berufsständestaat. Er floh über die Schweiz ebenfalls nach Großbritannien, wo er beim Bischof von Birmingham aufgenommen wurde. Hier befand sich auch das Zentrum des von Kardinal Newman 1848 gegründeten Oratoriums. Von hier aus übten Messner und Ungar ihre Priestertätigkeit in Kriegsgefangenenlagern und Krankenhäusern aus.
Berufsbedingt war ich bis kurz vor meiner Pensionierung oftmals im Ausland. Da ich aber schon als Schüler dem Naturrecht verbunden war, suchte ich Kontakt und erfuhr so um das Jahr 2000, dass Prof. Rudolf Weiler an der Wiener Universität außerhalb der regulären Studienordnung Vorlesungen über das Naturrecht hielt. Er verschaffte mir Kontakt zur Johannes Messner Gesellschaft, deren Präsident er war. Zu meiner großen Enttäuschung sah die Gesellschaft ihre Aufgabe in der Seligsprechung von Johannes Messner und nicht in der Festigung und Verbreitung seiner Naturrechtslehre. Jeder Antrag, sich auf das Naturrecht zu konzentrieren und den Positivismus zu entlarven blieb ungehört.
Ich wünsche mir daher, dass die Johannes Messner Gesellschaft ihrer Aufgabe, das Naturrecht im Sinne Messners zu pflegen und zu verkünden, in Zukunft besser nachkommt.