„Ehe für alle“ und das „dritte Geschlecht“ im Zeichen des Naturrechts

Johannes Moravitz, MA

„Wenn die Welt einmal untergehen sollte, ziehe ich nach Wien, denn dort passiert alles fünfzig Jahre später“, so der österreichische Komponist Gustav Mahler. Anlehnend daran lässt sich sagen: „Alles, was in der Welt geschieht, wird auch in Wien passieren.“ Dies gilt heutzutage besonders für Naturrecht und christliche Moral untergrabende Gesetze. Ein Jahr, nachdem in Deutschland die sogenannte „Ehe für alle“ und das „Dritte Geschlecht“ ins Gesetz Eingang gefunden haben, finden wir uns in Österreich in derselben Situation.

Wie konnte es soweit kommen?

Anders als in anderen Ländern, leitete in Österreich der Verfassungsgerichtshof und nicht der Gesetzesgeber beide Vorhaben ein. Dies darf jedoch nicht überbewertet werden. Denn der politische Unwille, Regeln zu treffen, um Ehe und die Geschlechterdualität abzusichern, bestätigt schließlich nur den Verdacht, dass das Wissen um deren Bedeutung für Staat und Gesellschaft in großen Teilen der Bevölkerung nicht mehr vorhanden ist. Ein genaues Lesen der beiden Urteile zeigt auf, wie sehr der moderne Mensch das Bewusstsein um das Naturrecht verloren hat. So heißt es etwa in der Begründung zur Öffnung der Ehe „für alle“, dass die Ehe von Mann und Frau und die Beziehung eines homosexuellen Paares „ihrem Wesen und ihrer Bedeutung für den individuellen Menschen grundsätzlich gleich sind“ und „intentional von den gleichen Werten getragen sind“. Noch merkwürdiger mutet die Begründung der Gleichheit beider Formen von Beziehung in Bezug auf Elternschaft an: „Die jüngere Rechtsentwicklung ermöglicht auch eine gemeinsame Elternschaft gleichgeschlechtlicher Paare: Gleichgeschlechtliche Paare dürfen Kinder (gemeinsam) adoptieren […] und – im Rahmen der zulässigen Formen medizinisch unterstützter Fortpflanzung – zur Welt bringen.“

Im Urteil zum Personenstandsgesetz ordnet der Verfassungsgerichthof die Möglichkeit einer Eintragung einer dritten Option neben der männlichen und weiblichen für Personen an, bei denen aus biologischen Gründen die Zuordnung zum binären Geschlechtssystem nicht eindeutig sei. Wirft man einen Blick auf die Argumentation, so erkennt man deutlich die Spuren der Genderideologie. Der Gesetzgeber habe eine prinzipielle Verpflichtung, „[…] eine Eintragung vorzusehen, die die jeweilige individuelle Geschlechtsidentität zu reflektieren vermag“, denn „dem Personenstand [ist es] eigen, selbst identitätsstiftend zu wirken.“

Offensichtlich handelt es sich hier nicht nur um eine neue Deutung des Ehebegriffs, sondern auch des Menschen selbst. Urteile und Gesetze konstituieren Wirklichkeit. Der Mensch in seiner ihm eigentümlichen Freiheit kann durch positive Gesetzgebung Wirklichkeiten schaffen. Es ist nicht entscheidend, was die Natur dem Menschen vorgibt und welche Schranken sie ihm setzt, sondern die Deutung durch den Menschen ist es, die ihm selbst Identität geben soll. So wird völlig außer Acht gelassen, dass nur allein aus der Verbindung von Mann und Frau Kinder entstehen können, ja man behauptet in bemerkenswerter Ignoranz, dass die Gesetzgebung sowie die moderne Wissenschaft eine gemeinsame Elternschaft eines homosexuellen Paares ermöglichen. Nicht die Natur entscheidet über die Geschlechtlichkeit einer Person, sondern der Mensch, befreit von allen sozialen, kulturellen, religiösen und biologischen Bedingungen, schafft sich seine Geschlechtlichkeit selbst.

Dahinter stehen zwei Grundannahmen, die die heutige westliche Welt zutiefst prägen: Zunächst der Irrtum zu meinen, durch positive Gesetzgebung Recht zu schaffen, Recht und Unrecht zu erkennen und benennen. Dieses gesetzte positive Recht ist, als Ablehnung des Naturrechts, jedoch zugleich eine Zurückweisung der Gerechtigkeit als Grundprinzip von Recht. Der zweite Irrtum betrifft den Versuch, die menschliche Person auf eine „geistige“, rein formale Freiheit zu reduzieren. Beides könnte man als Rebellion gegen die ewige Gesetzesordnung Gottes und die Schöpfung selbst bezeichnen. Die Wurzeln dieser Geisteshaltung reichen in die Renaissance und die Aufklärung zurück. So träumte bereits Pico della Mirandola von einer solchen Freiheit der menschlichen Person und legte diese als Imperativ Gott selbst in den Mund: „Die Natur der übrigen Geschöpfe ist fest bestimmt und wird innerhalb von uns vorgeschriebener Gesetze begrenzt. Du sollst dir deine ohne jede Einschränkung und Enge, nach deinem Ermessen, dem ich dich anvertraut habe, selber bestimmen. […] damit du wie dein eigener, in Ehre frei entscheidender, schöpferischer Bildhauer dich selbst zu der Gestalt ausformst, die du bevorzugst.“ Thomas Paine, bekannter Denker der Aufklärung und einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten, fasst im 18. Jahrhundert das Prinzip der modernen Staatstheorie zusammen: „Every age and generation must be as free to act for itself in all cases, as the ages and generations which preceded it.”

Es scheint, als wären die Wünsche beider heutzutage in Erfüllung gegangen. Die Entkoppelung der Gesetzgebung von einem überzeitlichen Gesetz hat jedoch selbstverständlich gesetzliche Willkür zur Folge. Gesetze, die sich nicht nach dem Naturrecht richten, ja diesem sogar widersprechen, können Gesetze im eigentlichen Sinn gar nicht genannt werden. Denn wer meint, wie Cicero in De legibus richtig ausführt, dass durch Gesetze anhand von Einzel- oder Mehrheitsmeinungen Recht und Unrecht bestimmt werden könnten, der müsste konsequenterweise ebenfalls meinen, dass es möglich sei, ein Recht des Mordens, des Raubens, des Betrügens, usw. zu schaffen. Wer weiterhin meint, dass nicht die Natur, sondern wiederum Einzel- oder Mehrheitsmeinungen vorgeben was richtig und falsch ist, was gut und schlecht ist, der müsste dies auf alle Bereiche des menschlichen Lebens ausweiten, ja der müsste letztlich auch behaupten, dass auch die Glückseligkeit durch Mehrheitsmeinung geschaffen werden könne. Die Unsinnigkeit dieses Denkens ist leicht zu erkennen, und scheint dennoch unverständlich in unserer Gesellschaft zu sein.

Es ist beruhigend zu wissen, dass das Naturrecht als Partizipation am ewigen Gesetz Gottes nicht abgeschafft werden kann, und dass der Mensch eine untrennbare Einheit aus Leib und Seele ist. Wie es in Veritatis splendor so schön heißt: „In der menschlichen Person, im willentlich Handelnden und seinem frei überlegten Tun halten sie sich miteinander oder gehen miteinander unter.“

Was bleibt also zu tun, in einer Zeit, in der das Naturrecht nicht nur eine Unbekannte geworden ist, sondern diesem entgegengesetzt gehandelt wird, auf allen gesellschaftlichen Ebenen? Wir müssen den Menschen die Konsequenzen des modernen Denkens und Handelns vermehrter aufzeigen, das Chaos, welches entsteht, wenn zwischen Recht und Unrecht kein qualitativer Unterschied mehr besteht, die fatalen Folgen für Gesellschaft, wenn Recht willkürlich gesetzt wird, und müssen ihnen schließlich den Ausweg aus diesem Dilemma aufzuzeigen, denn immer noch können wir darauf vertrauen, dass Gott dem Menschen ein Gesetz ins Herz geschrieben hat, ein Gesetz, das ihm prinzipiell zugänglich ist.


 

 

 

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