Interview mit Prof. DDr. Rudolf Weiler

Welche Erinnerungen haben Sie an Johannes Messner?

Natürlich habe ich viele Erinnerungen an Johannes Messner, besonders erwähnen möchte ich zwei Reisen nach Mönchengladbach auf Einladung von Prof. Dr. Anton Rauscher, die im Februar 1968 und im Mai 1969 stattgefunden haben. Es war eine Veranstaltung der Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle, ich meine das Thema lautete: „Das Humanum und die Christliche Soziallehre“.

Besonders in Erinnerung habe ich eine gemütliche Feier nach der Veranstaltung, bei der drei Teilnehmer als Achtzigjährige geehrt wurden, einer war Johannes Messner für seine Verdienste für das klassische christliche Naturrecht und die „Wiener Schule“ des Naturrechts. Bei der Feier war auch Oswald von Nell-Breuning anwesend. Auf dieses Treffen geht die Idee einer Johannes-Messner-Gesellschaft zurück.

Die „Wiener Schule“ – was verbirgt sich dahinter?

Darauf möchte ich mit Worten von Johannes Messner selbst antworten und aus einer Rede am 12.2.1971 im Palais Palffy zitieren:

 „Erstens darf ich mich freuen, Sie nehmen es mir nicht übel, daß wir jetzt von einer ‚Wiener Schule‘ der christlichen Gesellschaftslehre sprechen können. Sie wurde zunächst begründet von Franz M. Schindler, Prof. hier, gestorben 1922. Ignaz Seipel hat dann die Linie fortgeführt. Dann suchte ich, auf dieser Linie weiterzuarbeiten, ich nenne sie die Schule des Sozialrealismus.

Noch im Staatslexikon von 1926 wird von sechs Wiener Richtungen, davon fünf sozialromantischen berichtet. Vier davon meinten, die ganze Problematik des Industrialismus und Individualismus könnte gelöst werden durch Abschaffung des Kapitalzinses. Sogar beim 2. Vaticanum sind noch solche Eingaben erschienen.

Die Schule des Sozialrealismus gegenüber der Sozialromantik. 

Daß die ‚Wiener Schule‘ der christlichen Gesellschaftslehre Auswirkungen erreicht hat, die bis Amerika reichen und bis Japan, verdanke ich dem seinerzeitigen Minister Drimmel. Er hat mir ermöglicht, daß ich viele Arbeitsurlaube in England verbringen konnte, wo ich mich besonders mit dem Realismus des Denkens dort vertraut machen konnte, während man bei uns viel in den metaphysischen Wolken geschwebt hat.

Die ‚Wiener Schule‘ ist im deutschen Sprachraum einmalig. Eine nahe Verwandte gibt es mit der Münsterer Schule, begründet von Franz Hitze, fortgeführt von Joseph Höffner – jetzt Kardinal in Köln – weitergebaut von Wilhelm Weber und Anton Rauscher. Die beiden Schulen sind eng befreundet, die letztgenannten waren schon öfter hier in Wien. Aus einer von mir gehaltenen Gedenkrede für Franz Hitze zum 40. Todestag ist ein kleines Buch über das Gemeinwohl geworden.

Zweitens freue ich mich, daß ich einen Nachfolger auf dem Lehrstuhl habe, der sich auch bei allem persönlichen Angehen der sozialen Problematik zu diesem Sozialrealismus bekennt, zu dieser ‚Wiener Schule‘!“

Welche Bedeutung hatte die Rückkehr von Johannes Messner aus dem Exil in Birmingham?

Das ist wirklich die Frage: Was hat er bei seiner Rückkehr 1949 an die Fakultät nach Wien und Österreich als Frucht seines ungebrochenen wissenschaftlichen Schaffens mitgebracht? Sein  Hauptwerk „Das Naturrecht“ und weitere Bücher in mehreren Auflagen, zuerst englisch und dann auf deutsch bei Tyrolia/Innsbruck erschienen. Des Weiteren die Weiterführung und den Ausbau seiner Mitarbeit und Entwicklung in der Kath. Soziallehre  – denken wir an  seine „Soziale Frage“ – vom Naturrecht her nach der Soziallehre der Kirche entwickelt. Und hier vor allem seine Kompetenz als Wirtschaftsethiker in jener Zeit gegen liberale und vor allem sozialistische ideologische Voreingenommenheit in der Volkswirtschaftslehre und folglich  der Wirtschaftspolitik: im Schlagwort gesagt, von der Wahl nach Systemen  in der Wirtschaft, mit Kapitalismus oder Sozialismus?

Seine Forschungsarbeit in England, ungestört durch stete Lehrverpflichtungen fortsetzen zu können, war die Bedingung für die Ausübung seiner Professur in Wien immer nur während des Wintersemesters. Die Professoren der Fakultät in Wien, besonders Dekan Prälat Dr. Michael Pfliegler, waren um seine Rückkehr bemüht, um seine mögliche Abwanderung – so war Münster in der BRD  im Gespräch – zu verhindern. Im Unterrichtsministerium  war  Dr. Heinrich Drimmel bei den Verhandlungen sehr um Entgegenkommen bemüht gewesen.

Die Erzdiözese Wien war interessiert. Vom Leiter des Wiener Pastoralamtes und des Österr. Seelsorgeinstituts Prälat Dr. Karl Rudolf weiß ich es, man erhoffte seelsorgliche Impulse von ihm im Anschluss an die Zeit vor 1938 zu erhalten. Seine Mitwirkung bei Vorträgen und Artikeln kann auch wieder belegt werden für die Zeit nach der Rückkehr.

Herr Professor, danke für diese Informationen!

Das Interview mit Prof. DDr. Rudol Weiler führte die aktuelle Präsidentin der Johannes-Messner-Gesellschaft, Frau Dr. Maria Raphaela Hölscher, am 18.8.2017.

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