Der Kern des Naturrechts aus der Perspektive der Katholischen Soziallehre

Vortrag von Josef Spindelböck

Vortrag anlässlich des Sommertreffens des Hayek-Clubs Salzburg am 21. Juli 2017 im Hotel Altstadt / Radission Blue, Salzburg

Prof. Josef Spindelböck

Im Vortrag ging Prof. Spindelböck auf philosophische Wurzeln der Naturrechtslehre bei Aristoteles und in der Stoa ein sowie auf naturrechtliche Aspekte im Römerbrief des Apostel Paulus. Daran schloss sich eine Darlegung der Erkenntnis des natürlichen Sittengesetzes („lex naturalis“) bei Thomas von Aquin an. Die Naturrechtslehre wurde schließlich in der jüngeren Vergangenheit erneuert und weiterentwickelt durch Univ.-Prof. Dr. Johannes Messner (+1984), der die existenziellen Zwecke des Menschseins herausgearbeitet hat. Überblicksmäßig ging der Referent des Weiteren auf die naturrechtlich verankerten Sozialprinzipien von Personalität, Solidarität, Gemeinwohl und Subsidiarität ein.

Hier einige Leitgedanken des Vortrags:

Was ist der Kern des Naturrechts? Für das menschliche Zusammenleben, aber auch für die Sicherung der Rechte der menschlichen Person braucht es ein sittliches und rechtliches Fundament, welches der Willkür entzogen ist. Auf der Basis des gemeinsamen Menschseins – also der gemeinsamen menschlichen „Natur“ – wird in einem vernunftgeleiteten Dialog nach dem gefragt, was alle verbindet und worauf alle – gleichsam vorgängig zu positiven menschlichen Gesetzen – verpflichtet sind. Die sittlichen Grundforderungen, die für jeden Menschen und für die Menschheit insgesamt gelten, sind prinzipiell der Vernunft des Menschen einsichtig. Sie gelten deshalb, weil sie der Natur, also dem Wesen der menschlichen Person entsprechen.

So stellte schon Aristoteles fest: „Von Natur aus gerecht ist, was überall mit gleicher Kraft gilt und nicht davon abhängt, was die Menschen für richtig halten oder nicht.“ (Nikomachische Ethik V, 10)

In der Stoa stehen Tugend, Gesetzesgehorsam und Lebensglück in einem unverbrüchlichen Zusammenhang. Die Stoa sieht das Sein und das Sollen – also die faktische und die ideale Ordnung – nicht durch einen unüberbrückbaren Graben getrennt. Der römische Rechtsphilosoph Cicero formulierte es so: „Das Gesetz ist die höchste Vernunft, die der Natur eingepflanzt ist; es gebietet das, was zu tun ist, und verbietet das Entgegengesetzte.“ (De legibus I, 6, 18)

Auch der Apostel Paulus nahm Bezug auf die natürliche sittliche Erkenntnis: „Denn wenn Heiden, die das Gesetz nicht haben, von Natur aus das tun, was im Gesetz gefordert ist, so sind sie, die das Gesetz nicht haben, sich selbst Gesetz.“ (Röm 2,14-16)

Weiterführend konnte dann Thomas von Aquin feststellen: „All das, woraufhin der Mensch eine natürliche Neigung besitzt, erfasst die Vernunft natürlicherweise als gut und demnach als in der Tat zu erstreben und das Gegenteil davon als schlecht und zu meiden. Gemäß der Ordnung der natürlichen Neigungen besteht die Ordnung der Gebote des natürlichen sittlichen Gesetzes.“ (STh I-II q.94 a.2)

Thomas hob drei Gruppen von „inclinationes naturales“ (natürlichen Neigungen) hervor, denen eine sittliche Relevanz zukommt: die Neigung zur Selbsterhaltung, zur Arterhaltung sowie zum Leben in der Gemeinschaft und zur Erkenntnis der Wahrheit.

Johannes Messner (1891-1984) ging von den existenziellen Zwecken als innerer Erfahrungsgrundlage für das theoretische und angewandte Naturrecht aus. Er führte folgende existenzielle Zwecke an (Das Naturrecht, Berlin 1984, S.42):

  • die Selbsterhaltung einschließlich der körperlichen Unversehrtheit und der gesellschaftlichen Achtung (persönliche Ehre),

  • die Selbstvervollkommnung des Menschen in physischer und geistiger Hinsicht (Persönlichkeitsentfaltung) einschließlich der Ausbildung seiner Fähigkeiten zur Verbesserung seiner Lebensbedingungen sowie der Vorsorge für seine wirtschaftliche Wohlfahrt durch Sicherung des notwendigen Eigentums oder Einkommens,

  • die Ausweitung der Erfahrung, des Wissens und der Aufnahmefähigkeit für die Werte des Schönen,

  • die Fortpflanzung durch Paarung und die Erziehung der daraus entspringenden Kinder,

  • die wohlwollende Anteilnahme an der geistigen und materiellen Wohlfahrt der Mitmenschen als gleichwertiger menschlicher Wesen,

  • die gesellschaftliche Verbindung zur Förderung des allgemeinen Nutzens, der in der Sicherung von Frieden und Ordnung sowie in der Ermöglichung des vollmenschlichen Seins für alle Glieder der Gesellschaft in verhältnismäßiger Anteilnahme an der ihr verfügbaren Güterfülle besteht,

  • die Kenntnis und Verehrung Gottes und die endgültige Erfüllung der Bestimmung des Menschen durch die Vereinigung mit ihm.

Den Ausführungen folgte ein angeregter Austausch der Teilnehmer des Sommertreffens mit dem Referenten.

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